Eine Videosprechstunde gibt Ärzten sowie auch Psychotherapeuten und anderen Heilberufen die Möglichkeit, eine Behandlung oder eine ärztliche Beratung online durchzuführen, anstatt einen Patienten vor Ort zu begrüßen. Die Online-Sprechstunde stellt somit eine Form der Telemedizin dar. Sie ersetzt die Behandlungen vor Ort nicht, stellt jedoch eine hervorragende Ergänzung zur ärztlichen Tätigkeit in Ihrer Praxis dar.
Derzeit besteht von Seiten der Patienten kein Anspruch auf eine telemedizinische Behandlung. Als Arzt oder Psychotherapeut sind Sie somit nicht dazu verpflichtet, eine Sprechstunde online anzubieten. Aber: Die Videosprechstunde bietet einige nennenswerte Vorteile für Ärzte und Psychotherapeuten sowie auch für die Patienten und wird von den Patienten entsprechend nachgefragt (siehe Abschnitt zum Status Quo der Videosprechstunde).
Sowohl für Ärzte als auch für Patienten bringt das Angebot von Videosprechstunden enorme Vorteile mit sich:
Vorteile für Ärzte & Patienten
- erleichterte Gesundheitsversorgung in unterversorgten Gebieten
- weniger Anfahrtsaufwand für kurze Termine (z. B. Rücksprachen)
- weniger Aufwand für Folgerezepte
- individuellere Termine möglich
- weniger unnötige Praxisbesuche (per Videotelefonie kann kurzfristig abgeklärt werden, ob bei der gegebenen Symptomatik ein Praxisbesuch erforderlich ist)
- Reduktion der Wartezeiten
- verringertes Ansteckungsrisiko (z. B. während einer Pandemie)
Vorteile für Ärzte
- Entlastung des Praxisempfangs
- Zeitersparnis bei Arzt-zu-Arzt-Konsultationen
- zufriedenere Patienten
Vorteile für Patienten
- Zeitersparnis für Patienten (keine Anfahrt, kein Parken)
- Ortsunabhängigkeit für Patienten (keine Anfahrt für immobile Patienten erforderlich)
- erleichterte Arztwahl: Termine bei weiter entfernten Ärzten möglich
- kein zwingender Praxisbesuch mehr für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Folgeverordnungen erforderlich
- niedrigere Hemmschwelle, vor allem in der Psychotherapie und bei Angstpatienten
- vertraute Umgebung, insbesondere für Angstpatienten vorteilhaft
Neben den zahlreichen Vorteilen, die durch die Einführung von Online-Sprechstunden genutzt und den Patienten ermöglicht werden können, können Videosprechstunden auch mit ein paar Risiken, Nachteilen und Herausforderungen einhergehen.
- Risiko einer instabilen Internetverbindung
- Risiko technischer Probleme
- keine körperliche Untersuchung möglich
- kein Einsatz von Medizingeräten möglich (z. B. Blutdruckmessungen)
- unpersönlicheres Arzt-Patienten-Verhältnis
- ggf. erschwerte Diagnose (abhängig von Krankheitsbild, Symptomatik und Behandlungsansatz)
Betrachtet man die Vorteile in Relation zu den Nachteilen, wird deutlich: Die Videosprechstunden können die Behandlung vor Ort nicht ersetzen. Aber: Sie stellen eine hervorragende Ergänzung dar. So können die Behandlungen und Gespräche, für die weder eine körperliche Untersuchung noch der Einsatz von Medizingeräten erforderlich ist, problemlos online abgehalten werden. Voraussetzung hierbei stellen eine stabile Internetverbindung und technisch einwandfreie Hard- und Software dar.
Kommt der Patient außerdem in regelmäßigen Abständen auch vor Ort in die Praxis, kann auch das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis bewahrt werden.
Damit Sie sich einen besseren Eindruck von der Videosprechstunde verschaffen können, stellen wir Ihnen im Folgenden einen beispielhaften Ablauf dar. Bitte beachten Sie, dass sich der Ablauf einer Online-Sprechstunde in Abhängigkeit der individuellen Praxisabläufe und der jeweils verwendeten Software geringfügig unterscheiden kann.
- Registrierung: Sie registrieren sich bei einem Videodienstanbieter für Videosprechstunden. (Einen Vergleich zertifizierter Videodienstanbieter finden Sie im nachfolgenden Abschnitt.)
- Versand der Anmeldeinformationen: Der Anbieter sendet Ihnen alle Informationen, die Sie zur Anmeldung benötigen.
- Terminvereinbarung inkl. Einwilligung: Bei der Terminvereinbarung erbitten Sie von Ihrem Patienten eine schriftliche Einwilligung, dass die Beratung per Videotelefonie stattfindet. Die Einwilligung erfolgt entweder direkt über den Videodienstanbieter oder über eines Ihrer Praxisformulare.
- Patient erhält Einladung: Der Patient erhält von Ihnen die Internetadresse, über die er an der Videosprechstunde teilnehmen kann. Er muss hierfür keine Software herunterladen, sondern kann den Link unkompliziert in seinem Internetbrowser aufrufen.
- Techniktest: Wenn Sie und Ihr Patient sich in die Videosprechstunde einwählen, haben Sie die Möglichkeit, an dieser Stelle einen kurzen Techniktest durchzuführen, indem Sie Ihr Mikrofon, Ihre Lautsprecher sowie Ihre Kamera testen.
- Digitales Wartezimmer: Patienten, die sich in die Videosprechstunde einwählen, warten zunächst im digitalen Wartezimmer.
- Digitales Behandlungszimmer: Sobald Sie bereit sind, das Gespräch mit Ihrem Patienten zu starten, können Sie Ihren Patienten ins digitale Behandlungszimmer schalten. Erst ab diesem Moment können Sie einander sehen und hören.
- Datenschutzaufklärung: Zu Beginn der Online-Sprechstunde informieren Sie Ihren Patienten über die Datenschutzvorgaben und lassen ihn wissen, dass kein Mitfilmen erlaubt ist.
- Gesundheitskarte (nur bei GKV-Patienten): Der Patient zeigt seine elektronische Gesundheitskarte per Video, sodass Sie als Arzt alle relevanten Daten in Ihre Praxisverwaltungssoftware übernehmen können (Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Postleitzahl, Krankenkasse, Krankenversichertennummer, Versichertenart).
- Mündliche Versicherungsbestätigung (nur bei GKV-Patienten): Der Patient bestätigt zudem mündlich, dass er bei der entsprechenden GKV gesetzlich versichert ist und ein gültiger Versicherungsschutz besteht.
- Behandlung per Videosprechstunde: Nachdem Sie die Grundlagen geklärt haben, können Sie mit der gewöhnlichen Sprechstunde beginnen. Erkennen Sie an dieser Stelle, dass wider Erwarten doch eine körperliche Untersuchung erforderlich ist, bitten Sie Ihren Patienten, Sie vor Ort in Ihrer Praxis zu besuchen.
- Abmelden: Sobald Sie die Behandlung per Videotelefonie beenden möchten, melden Sie und Ihr Patient sich auf der Website ab.
- Dokumentieren: Zuletzt dokumentieren Sie die Behandlung wie gewohnt in Ihrer Praxissoftware.
Tipp: Feste Online-Sprechzeiten
Indem Sie feste Tage in der Woche oder bestimmte Tageszeiten für Videosprechstunden festlegen, können Sie die Prozesse in Ihrer Praxis möglichst zeiteffizient gestalten. Auf diese Weise minimieren Sie den Zeitaufwand, der durch das Hin- und Herspringen von Offline- und Online-Terminen entsteht.
Die folgende Übersicht liefert Ihnen einen Vergleich zertifizierter Anbieter für Videosprechstunden.
Im Folgenden finden Sie einen Überblick darüber, wie hoch die Nachfrage vonseiten der Patienten und das Angebot vonseiten der Ärzte bisher sind.
Laut Veröffentlichungen der Deutschen Apotheker- und Ärztebank konnten sich bereits im Jahr 2018 rund 56 % der Befragten vorstellen, per Video-Chat mit ihrem Arzt zu kommunizieren. Die Idee der telefonischen Beratung fanden sogar 68 % der Befragten ansprechend. Im Jahr 2022 hat sich dieses Verhältnis gewandelt: So gaben im PraxisBarometer Digitalisierung 2022 80 % der Befragten an, dass sie „Vorteile der Videosprechstunde gegenüber dem Telefonat“ sehen („stimme voll und ganz zu“: 46 %, „stimme eher zu“: 34 %).
Vor allem für die langfristige Betreuung chronisch kranker Patienten besteht laut der Studienergebnisse im PraxisBarometer Digitalisierung 2022 eine hohe Nachfrage nach Videosprechstunden. So hielten es insgesamt 85 % der Studienteilnehmer für sinnvoll, chronisch kranken Patienten die Betreuung per Videotelefonie zu ermöglichen („stimme voll und ganz zu“: 34 %, „stimme eher zu“: 51 %). Einen weiteren nennenswerten Anwendungszweck sahen die Studienteilnehmer in der Besprechung von Untersuchungsergebnissen. So gaben 57 % der Teilnehmer an, diese Besprechung per Videotelefonie für sinnvoll zu erachten. Auch die Anamnese und Arzt-Patienten-Gespräche sind beliebte Anwendungszwecke der Online-Sprechstunde.
Seit dem 01. April 2017 können Vertragsärzte die Online-Sprechstunde mit allen Krankenkassen abrechnen, sofern die Sprechstunde per Video in ihrer Fachrichtung grundsätzlich erlaubt ist.
Obwohl die Möglichkeit, Videosprechstunden durchzuführen und gegenüber den Krankenkassen abzurechnen, nun bereits seit einigen Jahren besteht, stieg die Anzahl der Praxen, die die Videosprechstunde anbieten, in den letzten Jahren nicht nennenswert. So boten in den letzten Jahren konstant lediglich 37 % der Arztpraxen eine Sprechstunde per Video für ihre Patienten an.
Aufgrund der hohen Nachfrage und des weiterhin relativ niedrigen Angebots stellt die Einführung einer Videosprechstunde damit weiterhin eine hervorragende Möglichkeit dar, sich als Arztpraxis von den Mitbewerbern abzuheben und Patienten für sich zu gewinnen.
Um eine weiterhin sichere und zuverlässige Gesundheitsversorgung in Deutschland zu gewährleisten, ist der Einsatz von Videosprechstunden an bestimmte Bedingungen geknüpft. So unterscheiden sich die Anwendungszwecke je nach Facharztgruppe und je nach Tätigkeit. Zudem ist es speziell in der Psychotherapie erforderlich, dass der Patient zuvor schonmal persönlich in der Praxis vorstellig wurde, bevor er per Videotelefonie betreut werden darf. Außerdem gibt es Einschränkungen, wie groß der Anteil an Online-Sprechstunden an den gesamten Behandlungsfällen sein darf. Nachfolgend erfahren Sie mehr dazu, für welche Berufsgruppen und für welche Anwendungszwecke Videosprechstunden infrage kommen.
Grundsätzlich darf die Sprechstunde sowohl von Ärzten und Psychotherapeuten als auch von anderen Heilberufen mit direktem Patientenkontakt online angeboten werden. Nur wenige Arztgruppen sind hiervon ausgeschlossen und dürfen laut Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung keine Videosprechstunden anbieten.
Die Einsatzmöglichkeiten der Online-Sprechstunde unterscheiden sich je nach Facharztrichtung. Eine Behandlung oder Beratung per Videotelefonie ist grundsätzlich immer nur dann erlaubt, wenn sie eine ebenso gute medizinische Behandlung ermöglicht wie in einem persönlichen Gespräch.
Wann eignet sich die Videosprechstunde?
- Verlaufskontrolle
- Ersteinschätzung
- Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)
- Wundverlauf prüfen
- Nachbesprechung (z. B. nach Operation)
- psychotherapeutische Gespräche
- Aufklärungsgespräche
- Beratungsgespräche (z. B. Impfberatung)
- Befundbesprechung
- Zweitmeinungen
- Rückfragen
Wann eignet sich die Videosprechstunde nicht?
- Körperliche Untersuchung erforderlich
- Einsatz von Medizingeräten erforderlich
- Psychotherapie: psychotherapeutische Sprechstunden (Erstkontakt)
- Psychotherapie: probatorische Sitzungen
- Psychotherapie: neuropsychologische Therapien
Ein persönlicher (Erst-)Kontakt mit dem Patienten ist nur in der Psychotherapie erforderlich. So müssen psychotherapeutische Sprechstunden und probatorische Sitzungen zur Eingangsdiagnostik zunächst persönlich stattfinden, bevor Psychotherapeuten und ihre Patienten auf die Videosprechstunde umsteigen dürfen.
Bei Ärzten ist dies anders: Als Arzt dürfen Sie grundsätzlich sowohl Bestands- als auch Neupatienten zur Sprechstunde online betreuen und behandeln. Voraussetzung ist dabei lediglich, dass eine ebenso gute Behandlung möglich ist wie auch im persönlichen Kontakt. Dies ist jedoch unabhängig davon, ob Sie Ihren Patienten bereits kennen oder ein neuer Patient Ihre Videosprechstunde in Anspruch nehmen möchte.
Aber: Behandeln Sie einen Patienten innerhalb eines Quartals ausschließlich per Videotelefonie, kann die jeweils zuständige Kassenärztliche Vereinigung Abschläge von Ihrem Ärzte-Honorar abziehen und einbehalten.
Wichtig:
Haben Sie sich eines GKV-Patienten innerhalb eines Quartals ausschließlich per Videotelefonie angenommen, muss dieser Behandlungsfall in der Abrechnung entsprechend mit der Pseudo-GOP 88220 gekennzeichnet werden.
Um sicherzustellen, dass neben dem Angebot an Videosprechstunden weiterhin eine gute und flächendeckende vertragsärztliche Gesundheitsversorgung in den Arztpraxen vor Ort gewährleistet bleibt, gibt es eine Beschränkung im Anteil der Videosprechstunden am gesamten Behandlungsvolumen, sprich: als Arzt oder Psychotherapeut sind Sie in der Anzahl an Videosprechstunden, die Sie anbieten dürfen, beschränkt.
Diese Grenze ist bei Vertragsärzten und Privatärzten sowie auch bei Psychotherapeuten unterschiedlich.
Wie viele Videosprechstunden dürfen Vertragsärzte anbieten?
Gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung dürfen Vertragsärzte maximal 30 % je Leistung bzw. Gebührenordnungsposition (GOP) pro Quartal im Rahmen einer Videosprechstunde abrechnen. Besteht eine höhere Nachfrage vonseiten der Patienten, kann die Videosprechstunde in diesen Fällen lediglich für Selbstzahler angeboten werden, sobald die 30-Prozent-Grenze erreicht ist. Um das Infektionsrisiko während eines Arztbesuches zu verringern, war diese Regulierung während der Corona-Pandemie kurzzeitig außer Kraft.
Hinweis:
Grundsätzlich sind Sie als Arzt nicht dazu verpflichtet, Ihren Patienten eine Videosprechstunde anzubieten. Es steht Ihnen somit frei, ob Sie diese Möglichkeit nutzen möchten oder nicht.
Wie viele Videosprechstunden dürfen Psychotherapeuten anbieten?
Im Gegensatz zu Ärzten, bezieht sich die 30-Prozent-Grenze bei Psychotherapeuten nicht auf jede einzelne Leistung, sondern auf das gesamte Punktzahl-Volumen, das innerhalb eines Quartals über Gebührenordnungspositionen des Kapitels 35 (Psychotherapie-Richtlinie) des Einheitliche Bewertungsmaßstabs (EBM) abgerechnet wird und grundsätzlich per Videotelefonie möglich wäre. Eine Ausnahme hierfür stellt die psychotherapeutische Akutbehandlung dar. Für diese psychotherapeutische Leistung gilt die 30-Prozent-Grenze in derselben Form wie auch bei Ärzten: nur 30 % dieser Gebührenordnungsposition (GOP 35152) darf per Videosprechstunde stattfinden und abgerechnet werden.
Wie viele Videosprechstunden dürfen Privatärzte und Privatpsychotherapeuten anbieten?
Als Privatarzt dürfen Sie eine unbegrenzte Anzahl an Videosprechstunden anbieten – immer jedoch unter der Voraussetzung, dass Sie online eine medizinisch ebenso gute Behandlung bieten wie vor Ort. Da Sie Ihre ärztliche Leistung nicht gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen, gilt die oben genannte 30-Prozent-Grenze für Sie nicht.
Seit Oktober 2020 ist es Ihnen als Arzt erlaubt, auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per Videotelefonie auszustellen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Symptome Ihres Patienten es zulassen, eine Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen, ohne den Patienten vor Ort untersucht zu haben.
Für welchen Zeitraum die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden dürfen, hängt davon ab, ob Sie den Patienten bereits kennen oder ob er Sie als Arzt zum ersten Mal aufsucht:
- Bekannte Patienten: dürfen für maximal 7 Tage krankgeschrieben werden
- Unbekannte Patienten: dürfen für maximal 3 Tage krankgeschrieben werden
Möchten Patienten eine Folgekrankschreibung erhalten, ist es erforderlich, dass sie wegen derselben Erkrankung bereits persönlich bei Ihnen in der Praxis waren. Eine Folgekrankschreibung per Videosprechstunde ist weder für unbekannte noch für bekannte Patienten gestattet, wenn der Patient wegen speziell dieser Erkrankung bisher nicht persönlich in der Praxis war.
Nicht nur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, sondern auch Arzneimittelrezepte dürfen im Rahmen einer videogestützten Sprechstunde online ausgestellt werden.
Worauf kommt es bei der Ausstellung eines Rezeptes für Privatpatienten an? In unserem Beitrag zum Thema Privatrezept erhalten Sie alle Infos.
Dies gilt grundsätzlich sowohl für neue als auch für bereits bekannte Patienten. Aber: Bei unbekannten Patienten ist es umso wichtiger, der ärztlichen Sorgfaltspflicht gerecht zu werden und genauestens zu prüfen, ob das Ausstellen eines Rezeptes ohne eine persönliche Untersuchung und ohne ein persönliches Kennenlernen des Patienten vertretbar ist.
Tipp:
Damit Ihr Patient das Arzneimittelrezept nach der Videosprechstunde nicht bei Ihnen in der Praxis abholen muss und damit Sie es nicht per Post verschicken müssen, eignet sich in diesen Fällen der Einsatz des E-Rezeptes besonders gut. So haben Sie die Möglichkeit, das Rezept für Ihren Patienten auf digitalem Wege auszustellen.
Auch Rehabilitationsverordnungen sowie Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege und Heilmittel dürfen seit 2023 im Rahmen einer Videosprechstunde ausgestellt werden, sofern Sie den Patienten bereits persönlich untersucht und die Diagnose aufgestellt haben, die zur Verordnung der Rehabilitation, häuslicher Krankenpflege oder Heilmitteln führt.
Technisch betrachtet wäre es für Sie als Arzt unkompliziert möglich, die Sprechstunde online auch aus dem Homeoffice heraus anzubieten. So könnten Sie nicht nur Ihren Patienten, sondern auch sich selbst den Fahrtweg in die Praxis ersparen. Um den Patienten eine gleichbleibend verlässliche, datenschutzrechtlich einwandfreie und professionelle Betreuung gewährleisten zu können, geben die ärztlichen Berufsordnungen und die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) allerdings vor, dass Sie sich als Arzt während einer Videosprechstunde am Ort der Praxisniederlassung aufhalten müssen (§ 24 Abs. 2 Ärzte-ZV, § 17 Abs. 1 MBO-Ä).
Während die Ärzte-ZV und die ärztlichen Berufsordnungen explizit vorgeben, dass eine Sprechstunde an Ihrer jeweiligen Praxisniederlassung erfolgen muss, lassen Formulierungen anderer Rechtsgrundlagen (z. B. im Bundesmantelvertrag) die Interpretation zu, dass sich der behandelnde Arzt zum Zeitpunkt einer Videosprechstunde nicht zwangsläufig an der Praxisniederlassung befinden muss. Wenn Sie es bevorzugen, Videosprechstunden trotz der weitgehenden Rechtsunsicherheit lieber von daheim zu führen anstatt aus der Praxis, ist es empfehlenswert, die Situation zuvor mit Ihrer zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu besprechen. Vor allem seit Beginn der Coronapandemie haben zunehmend Kassenärztliche Vereinigungen die ärztliche Videosprechstunde aus dem Homeoffice heraus zugelassen, darunter die KV Nordrhein und die KV Schleswig-Holstein.
Achtung:
Wer im Homeoffice arbeitet, sollte darauf achten, dass dieselben datenschutzrechtlichen Vorgaben und Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden wie auch in den Praxisräumen. Der Schutz Ihrer Patientendaten darf durch die Arbeit im Homeoffice nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
Damit mit der Online-Sprechstunde eine ebenso hohe Behandlungsqualität ermöglicht werden kann wie bei einer Behandlung vor Ort, benötigen Sie als Arzt sowie auch Ihre Patienten eine entsprechende technische Ausstattung:
- Bildschirm
- Internetverbindung inkl. Firewall
- Web-Kamera
- Mikrofon
- Lautsprecher
- zertifizierter Videodienstleister
Diese und weitere Anforderungen, unter anderem an die Informationstechniksicherheit, den Datenschutz und die Videodienstanbieter, finden sich in Anlage 31b des Bundesmantelvertrags-Ärzte, welcher vom GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam geschlossen wurde.
Neben dem technischen Equipment und einer zertifizierten Software benötigen Sie als Arzt vor allem ein geeignetes Setting. Um vertrauliche Gespräche führen zu können, müssen die Videosprechstunden in einem geschlossenen Raum geführt werden, der eine adäquate Privatsphäre ermöglicht (§ 3 Anlage 31b Bundesmantelvertrag-Ärzte).
Anforderungen an die Informationstechniksicherheit
Ebenfalls im Bundesmantelvertrag-Ärzte (§ 2 Anlage 31b BMV-Ä) werden die Anforderungen an die Informationstechniksicherheit der Videodienstanbieter, die für die Videosprechstunde genutzt werden dürfen, definiert:
- Peer-to-Peer-Verbindung (oder äquivalentes Schutzniveau)
- keine zentrale Server-Nutzung
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
- Videodienstanbieter kann Inhalte nicht einsehen/speichern
- keine Weitergabe der Daten an Dritte
- keine schwerwiegenden Sicherheitsrisiken (insbesondere Risiken mit Nennung im Open Web Application Security Project (OWASP) TOP 10 Katalog)
Anforderungen an den Datenschutz
Auch die Anforderungen an den Datenschutz werden im Bundesmantelvertrag-Ärzte geregelt (§ 2a Anlage 31b BMV-A). Die Verarbeitung personenbezogener Patientendaten muss demnach gemäß den folgenden Rechtsvorschriften stattfinden:
- Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
- Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V)
- Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X, sofern anwendbar)
Ferner ist rechtlich vorgegeben, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Patientendaten nur in einem der folgenden Länder erfolgen darf:
- Deutschland
- Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
- Länder, die den EU-Mitgliedsstaaten gemäß § 35 Abs. 7 SGB I gleichgestellt sind (derzeit die Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen)
- Drittstaat mit Angemessenheitsbeschluss gem. Art. 45 der Verordnung (EU) 2016/679
Ferner erfordern die Vorgaben des Bundesmantelvertrags-Ärzte, dass Sie als Arzt die Videosprechstunde – ebenso wie auch andere Arzt-Patienten-Gespräche – in einem geschlossenen Raum durchführen, um eine adäquate Privatsphäre zu schaffen. Holen Sie von Ihrem Patienten zudem eine Einwilligung in die Datenvereinbarung des von Ihnen genutzten Videodienstanbieters ein. Befindet sich außer Ihnen weiteres Praxispersonal in diesem Raum, so werden Sie dazu aufgefordert, alle weiteren Personen zu Beginn der Videosprechstunde vorzustellen, sodass Ihr Patient einen Überblick darüber erhält, wer außer Ihnen während der Videosprechstunde Einblick in seine sensiblen gesundheitsbezogenen Daten erhält.
Auch Ihren Patienten sollten Sie dazu auffordern, Sie darüber zu informieren, wer außer ihm an dem Gespräch teilnimmt oder dieses mithört. Ferner gibt der BMV-Ä vor, dass Sie jeden Patienten zu Beginn der Videosprechstunde darauf hinweisen sollten, dass dieses Gespräch nicht aufgezeichnet werden darf. Eine Aufzeichnung ist lediglich zur Dokumentation der Behandlung gestattet, sofern eine entsprechende Einwilligung Ihres Patienten vorliegt.
Sonstige Anforderungen
Neben den Anforderungen an die Informationstechniksicherheit und den Datenschutz, werden in § 5 Anlage 31b BMV-Ä einige weitere Anforderungen an die Videodienstanbieter für Videosprechstunden gestellt.
- Registrierung des Arztes erforderlich
- Zweitzugang für Praxispersonal möglich
- Zweitzugang ausschließlich für organisatorische Zwecke einsetzbar
- Klarname des Patienten erkennbar
- adaptive Ton- und Bildqualität
- deutsche Nutzungsbedingungen
- Nutzungsbedingungen ohne Anmeldung einsehbar
- keine Werbung in der Videosprechstunde
- Angabe, ob mehr als zwei Teilnehmer möglich sind
- keine Registrierung für Patienten erforderlich
- keine Aufforderung zur Registrierung
Damit Sie als Anwender nicht selbst prüfen oder anfragen müssen, ob ein Videodienstanbieter die Anforderungen an die Informationstechniksicherheit und den Datenschutz sowie auch die sonstigen Anforderungen erfüllt, wurden entsprechende Zertifikate eingeführt, mithilfe derer die Videodienstanbieter ihre Eignung vorweisen können.
Achtung:
Damit die Zertifizierungsstellen entsprechende Zertifikate ausstellen dürfen, müssen diese wiederum gemäß ISO/IEC 17065 akkreditiert und zugelassen sein.
Ein Videodienstanbieter, den Sie zum Einsatz in der Videosprechstunde nutzen möchten, muss demnach die folgenden Zertifikate vorweisen können:
- Zertifikat zur Informationstechniksicherheit: Um die Informationstechniksicherheit ihres Videodienstes zu bescheinigen, benötigt der Videodienstanbieter ein „Zertifikat einer gemäß der VO (EG) 765/2008 nach ISO/IEC 17065 für den Geltungsbereich der technischen Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 365 Absatz 1 SGB V akkreditierten Zertifizierungsstelle“ (§ 5 Abs. 2 lit. a Anlage 31b BMV-Ä).
- Zertifikat zum Datenschutz: Um die Datenschutz-Konformität ihres Videodienstes offiziell zu bestätigen, benötigen die Videodienstanbieter ein „Zertifikat gemäß Artikel 42 DS-GVO für den Geltungsbereich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei Videodiensten in der vertragsärztlichen Versorgung zur Durchführung von Videosprechstunden gemäß § 365 Absatz 1 SGB V“ (§ 5 Abs. 2 lit. b Anlage 31b BMV-Ä).
- Eigenerklärung über Einhalten der Anforderungen gemäß § 5 Abs. 1 Anlage 31b BMV-Ä: Neben den offiziellen Zertifikaten hinsichtlich des Datenschutzes und der Informationstechniksicherheit müssen die Videodienstanbieter zudem in einer Eigenerklärung bestätigen, dass sie die Anforderungen an Videodienstanbieter gemäß § 5 Abs. 1 Anlage 31b BMV-Ä erfüllen.
Hinweis:
Falls die Zertifizierung Ihres Videodienstanbieters im Laufe eines Quartals abläuft, dürfen Sie es noch bis Ende des Quartals weiterverwenden (§ 5 Abs. 5 Anlage 31b BMV-Ä).
Als Arzt erhalten Sie von Ihrem Videodienstanbieter nach Vertragsabschluss eine offizielle Bescheinigung darüber, dass der von Ihnen genutzte Videodienst diese erforderlichen Zertifikate erhalten hat und dass diese gültig sind.
Gerade in der Psychotherapie erfolgt ein großer Teil der therapeutischen Arbeit anhand von Gesprächen. Demnach ist es mittlerweile gut möglich, einen Teil der psychotherapeutischen Behandlungen über eine Videosprechstunde stattfinden zu lassen.
Da in der Psychotherapie kaum körperliche Untersuchungen erforderlich sind, ist die Videosprechstunde in der Psychotherapie vielseitig einsetzbar. Hier kann sie grundsätzlich in folgenden Bereichen Anwendung finden:
- Akutbehandlungen
- Einzelpsychotherapie
- Gruppenpsychotherapie
Grundsätzlich dürfen psychotherapeutische Sitzungen – ebenso wie ärztliche Behandlungen – immer nur dann per Videosprechstunde abgehalten werden, wenn per Videotelefonie eine ebenso gute Behandlung möglich ist, wie sie auch im persönlichen Gespräch möglich wäre. Dies ist vom behandelnden Psychotherapeuten im Einzelfall zu bewerten.
Weitere Gespräche, die immer persönlich geführt werden müssen:
- Psychotherapeutische Sprechstunde: Um einen verlässlicheren Eindruck vom Patienten zu erhalten, eine bessere Eingangsdiagnostik zu ermöglichen und eine möglichst zielführende Indikation zu stellen, darf der Erstkontakt zwischen Patienten und Psychotherapeuten weiterhin nicht per Videotelefonie stattfinden.
- Probatorische Sitzungen: Gleiches gilt für die probatorischen Sitzungen. Auch hier ist weiterhin ein persönliches Zusammenkommen von Patienten und Psychotherapeuten erforderlich.
Seit Einführung des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes sind seit Oktober 2021 auch Gruppentherapien per Videotelefonie möglich. Im Rahmen von Gruppentherapien per Videosprechstunde dürfen einschließlich des Therapeuten bis zu neun Personen zusammenkommen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass Video-Gruppentherapien von nur einem Therapeuten geführt werden dürfen. Therapien mit zwei oder mehr Therapeuten sind entsprechend nicht erlaubt.
Die Videosprechstunde bringt sowohl im ärztlichen Bereich als auch in der Psychotherapie zahlreiche nennenswerte Vorteile mit sich und geht mit einer dementsprechend hohen Nachfrage vonseiten der Patienten einher. Da der Anteil der Arztpraxen, die ihren Patienten eine Sprechstunde online anbieten, in der Vergangenheit konstant bei nur etwa 37 Prozent lag, stellt die Einführung der Videosprechstunde für Sie eine hervorragende Möglichkeit dar, um sich als digitaler, zukunftsorientierter Arzt zu positionieren und neue Patienten für sich zu gewinnen. Unser Anbieter-Vergleich rund um die Online-Sprechstunde stellt Ihnen in diesem Prozess eine Hilfe dar, um das richtige Programm für Ihre Praxis zu finden.